DNA-Beschluss wegen Hausfriedensbruch? – Datensammelwut des LKA 5 Sachsen

Vor wenigen Wochen flatterten Beschlüsse zur DNA- & Fingerabdruckabnahme bei vier Beschuldigten in die Briefkästen. Der Vorwurf: Hausfriedensbruch.

Was vor Jahren noch mit spektakulären Massen-Gentests bei Gewaltverbrechen für Akzeptanz sorgen sollte, etabliert sich mittlerweile zum Standardrepertoire der staatlichen Repressionsbehörden:
Die DNA-Entnahme wird selbst bei kleineren Delikten durchgesetzt und von Gerichten fast immer genehmigt. Besonders in Strafverfahren gegen emanzipatorische Strukturen und Einzelpersonen kann ein inflationärer Gebrauch beobachtet werden. Es ist ein Versuch staatlicher AkteurInnen, mit dieser repressiven Praxis Teile unserer Bewegung massiv einzuschüchtern.

Ein noch junges Beispiel dessen, ist der Fall von Merle im Sommer 2019. Wegen eines Hausfriedensbruchs im Leipziger Umland und der politischen Entscheidung von Merle nach einer Festnahme eine Identitätsfeststellung zu verweigern, wurde Merle wochenlang in Untersuchungshaft gesteckt. Der Richter versuchte hier ein Exempel zu statuieren und ein klares Zeichen an alle Klimaaktivist*innen zu senden. Auch hier wurde die DNA-Abnahme bei Merle mit einem richterlichen Beschluss erzwungen.

 

Soko Linx dreht frei

Besonders im letzten Jahr hat die Ermittlungswut der Soko Linx in Leipzig und vor allem in Connewitz massiv zugenommen. Beispielsweise durch die Kriminalisierung von Antifaschist*innen im Zuge der Verfahren um die Hausdurchsuchungen vom 10.06.2020 oder durch die Kriminalisierung des Protests gegen die Verdrängungsprozesse in Leipzig. Im Verlauf der Ermittlungen gegen Antifaschist*innen bekamen auch dort Menschen DNA-Beschlüsse zugestellt. Im Nachhinein musste die Staatsanwaltschaft dennoch zwei Hausdurchsuchungen- und DNA-Beschlüsse als rechtswidrig erklären, da gegen die Betroffenen kein ausreichender Anfangsverdacht vorlag.  Weiterhin kann die Willkür und der Drang nach Ermittlungserfolgen auch sachsensenweit beobachtet werden. So wurden zwei Menschen ohne hinreichenden Tatverdacht über Monate in Untersuchungshaft gesteckt. Als „Hinweise“ reichten hier ein kritischer Facebook-Kommentar und eine vermeintliche Geruchsspur, die ein Hund Monate nach der Tat in der Wohnung der Betroffenen gefunden haben soll. Interessant ist hier die zeitliche Nähe zu dem Wochenende rund um die Luwi71-Räumung, die B34-Räumung und die Demonstration „Kämpfe Verbinden“ in den Tagen vom 04. bis 07.09.2020. Der große „Ermittlungserfolg“ und die Inhaftierung dieser zwei Menschen folgte direkt zwei Tage darauf. Die Soko Linx schien damit angesichts der rebellischen und widerständigen Momente an anderen Punkten Stärke demonstrieren zu wollen, wenn es schon die Bullen auf der Straße nicht geschafft hatten.

Auch bei dem hiesigen Verfahren scheint das LKA 5 getrieben, Ermittlungserfolge zu präsentieren. Im Zuge ihres Kontrollverlusts rund um die Tage vom 04. bis 07.09. scheint der politische Druck groß, Verantwortliche zu präsentieren und der medialen Öffentlichkeit zum Fraß vorzuwerfen. So verwundert es nicht, dass Maßnahmen angeordnet werden, die kriminalhistorisch eigentlich für Kapitaldelikte vorgesehen waren. Die Beschuldigten werden somit bei einem geringfügigen Vergehen wie Hausfriedensbruch in linke Gesinnungshaft genommen und durch die Maßnahmen schikaniert. Es liegt auf der Hand, dass auch hier ein Exempel statuiert werden soll, welches eine klare Botschaft aussendet: Jegliche Handlung, die darauf gerichtet ist die Verwertung unseres Wohnraums anzuprangern oder dessen Akteure zu enteignen, gerät unter hohen und direkten Ermittlungsdruck.
Es geht uns nicht darum, die DNA-Abnahme bei vermeintlich schlimmeren Straftaten eine Legitimation zuzusprechen. Wir sehen dennoch die Entwicklung, dass der Entnahme und Verwertung der eigenen DNA, in einer standardisierten Anwendung offensichtlich nichts mehr im Wege steht.

 

DNA – Treffer?

Auch bei der politischen Strafverfolgung gehören die Analyse und Speicherung von DNA-Profilen immer häufiger zum Standardrepertoire polizeilicher Ermittlungen. Ermittlungsbehörden machen sich bei ihrer Arbeit dabei nicht die Mühe, die DNA komplett auszulesen. Stattdessen wird nur eine bestimmte Zahl an festgelegten Markern ausgelesen, die ein genetisches Profil ergeben. Im Unterschied zur Identifizierung über Fingerabdrücke aber ist eine Identifizierung über DNA-Spuren viel umfassender, weil diese zwar vermindert, kaum aber komplett vermieden werden können. Einmal an einem Tatort eingesammelt, können Spuren darüber hinaus noch lange Zeit später ausgewertet werden.
Im Zuge von Ermittlungen wird nämlich kaum berücksichtigt, wie DNA-Spuren an einen Ort gelangt sind. Das Vorfinden von bestimmten DNA-Spuren an einem Ort lässt immerhin auch nur den Rückschluss darauf zu, dass die DNA einer bestimmten Person auf die eine oder andere Weise zu dem einen oder anderen Zeitpunkt dorthin gelangt ist. Zudem besteht für gewöhnlich die „Schwierigkeit“ der Vermischung verschiedener DNA miteinander – z.B. von verschiedenen Personen – und die der Verunreinigung eingesammelter Proben.

DNA-Proben zum eindeutigen Beweis zu erklären, muss somit auch aus Ermittlungsperspektive in Frage gestellt werden. Im Verlauf von Ermittlungen sammeln die Bullen an „Tatorten“ alles ein, dessen sie habhaft werden können und das irgendwie der „Spurenermittlung“ dienen kann. Diese Praxis dient auch dem Aufbau der mittlerweile schon über eine Million Einträge umfassenden BKA Datenbank (DAD – DNA-Analysedatei). Seit Jahren gibt es Bestrebungen die deutsche DAD mit Datenbanken aus den anderen europäischen Ländern zusammenzuführen. Seit 2005 gibt es einen regen Austausch von Spurendaten und Personenspuren mit anderen europäischen DNA-Datenbanken, wobei fast jedes europäische Land mittlerweile solche Datenbanken führt. Jetzt schon gibt es einen europaweiten Austausch der DNA-Daten auf Anfrage. Bis 2022 soll jedoch ein einheitlicher europaweiter Zugriff auf alle eingespeisten DNA-Daten ermöglicht werden.

 

Auf Ewig? – Die persönlichen Basen-Paare in Ermittlungsverfahren

Zur Auswertung der an einem Ort eingesammelten DNA-Spuren brauchen die Bullen eine Vergleichsprobe. Diese versuchen sie entweder direkt nach einer Festnahme oder durch Vorladung zu einer DNA-Entnahme zu beschaffen. Wir wissen aber auch, dass die DNA der betroffenen Person(en) manchmal am Arbeitsplatz oder bei Hausdurchsuchungen von persönlichen Gegenständen (Zahnbürsten, Klamotten usw.) eingesammelt werden. Das „Bündnis für die Einstellung der §129(a)-Verfahren“ berichtet in seiner Publikation zu den Verfahren und dem Prozess wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) auf S. 66: „Übrigens wurden mindestens einmal von observierten mg-Beschuldigten nach Kneipenbesuchen deren Gläser durch die observierenden BKA-Beamten beschlagnahmt, um DNA von den Beschuldigten zu bekommen.“ Es kam auch schon vor, dass Verwandte aufgefordert wurden, Proben abzugeben, weil deren DNA ähnlich sei.

Haben die Bullen zunächst für ein konkretes Strafverfahren die DNA einer Person entnommen lässt sich diese einfach umwidmen. Die Einspeisung in die DAD bedarf, wie auch die Zwangsentnahme, eines richterlichen Beschlusses. Als Begründung reicht eine einfache Wiederholungsgefahr. Ist die eigene DNA ersteinmal in der BKA – und bald europaweiten – Datenbank gespeichert, lässt sie sich nicht mehr löschen. Auf ewig wird jede kriminaltechnische Spur, die in Deutschland gefunden wird mit den ganz persönlichen Basen-Paaren abgeglichen.

In konsequenter Logik des Polizeistaates liegt es natürlich nahe soviele Daten wie möglich über die Bevölkerung zu sammeln. Seit Jahren wird im Rahmen „sicherheitspolitischer Maßnahmen“ Überwachung ausgebaut, in die Reihe der Maßnahmen, fügt sich die aktuelle DNA-Sammelwut ein. Von der Entwicklung und Nutzung von Gesichtserkennugssoftware, der Ausweitung der Überwachung des öffentlichen Raums, die Abgabe und Digitalisierung von Fingerabdrücken für den Personalausweis, Online-Durchsuchungen bis hin zu dem Wunsch eines Generalschlüssels für verschlüsselte Messenger. Durch den Ausbau neuer Technologien und der Formulierung neuer Startegien wird versucht, gläserne Menschen zu schaffen. Wissen ist Macht und eine Bevölkerung aus gläsernen Menschen ist leichter zu kontrollieren.
Wenn zwar für die Rechtfertigung von DNA-Entnahmen immer auch eine mediale Hetze und Diffamierung der Betroffenen benötigt wird , kann zugleich die immer weiter gehende Verschiebung ihres „Verhältnismäßigkeitsgrundatzes“ beobachtet werden. Früher waren große Verbrechen nötig um eine DNA-Entnahme zu rechtfertigen. Heute genügt schon ein Diebstahl, eine bemalte Wand oder eben eine Hausbesetzung, damit die Sicherheitsbehörden unsere Identität auf Vorrat speichern. Im Kontext politischer Strafverfolgung sollen präventiv Daten über außerparlamentarische (Links-)Oppositionelle gesammelt werden.  Nur für den Fall, diese sollten in der Zukunft Gesetze übertreten.

Die radikale Linke muss sich auch dieser Art von Repression kollektiv entgegen stellen. Von einem Widerspruch, begleitet mit möglicher offensiver Antirepressionsarbeit bis zur individuellen und kollektiven Verweigerung der Abgabe. Schon unsere Gefährt*innen aus Berlin veranschaulichten uns z.B. im Streugutkisten- und im Spucke-an-der-Wand-Verfahren, wie der Staatsschutz versucht antagonistische Kräfte mittels DNA-Entnahmen einzuschüchtern.
Aber Repression fängt eben nicht erst an dem Punkt an, an den sie eine*n trifft. Man kann es den Bullen so schwer wie möglich machen, um keine DNA bei politischen Aktionen zu hinterlassen. Macht euch die juristischen Möglichkeiten bewusst und diskutiert in euren Bezügen, was ihr im Falle einer Maßnahme wie der DNA-Entnahme machen könnt und wollt. Bis dahin sollten wir uns nicht einschüchtern lassen und in unserem Widerstand fortschreiten.

 

Lasst uns die Betroffenen spüren lassen, dass sie nicht alleine sind mit der Repression!

Getroffen hat es Wenige, gemeint sind wir alle!

Solidarität mit den Hausbesetzer*innen in Leipzig und überall!

 

— https://de.indymedia.org/node/139306

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