Bericht vom 4. Verhandlungstag des Berufungsverfahrens zum bisher einzigen Prozess im Zusammenhang mit der Johannapark-Sponti 2015 vor dem Landgericht Leipzig
Im Kontext des G7-Gipfels im bayrischen Elmau fand am 5. Juni 2015 eine Spontandemonstration in Leipzig statt. Bei dieser Sponti im Umfeld des Johannaparks gab es Auseinandersetzungen mit herbeigerufenen Cops, das nahegelegene Bundesverwaltungsgericht wurde mit Steinen und Farbe beworfen, und es wurden Barrikaden errichtet.
Es gelang in dieser Nacht den Cops nur eine Person festzunehmen und mit dieser Aktion in Verbindung zu setzen: was für den Gefährten eine von den Bullen gebrochene Nase, eine Hausdurchsuchung, sowie die Erpressung von DNA-Proben unter dem Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs und der Körperverletzung zur Folge hatte.
Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Amtsgericht Leipzig im August/September 2016 endete, trotz schwacher Beweislage der Staatsanwaltschaft, mit einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten sowie 100 Sozialstunden. Der Richter ließ es sich damals nicht nehmen, noch auf die Milde des Urteils hinzuweisen: ohne den Nasenbeinbruch durch die Cops hätte es wohl eine noch härtere Strafe gegeben.
Der Staatsanwaltschaft war die verhängte Strafe nicht genug, weshalb sie Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichtes einlegte.
Derzeit läuft vor dem Landgericht Leipzig das Berufungsverfahren.
Prozesstag 1 – Prozesstag 2 – Prozesstag 3 – Prozesstag 4 – Prozesstag 5 – Prozesstag 6 – Prozesstag 7 – Prozesstag 8 / Urteil
Es folgt ein Bericht über den 4. Prozesstag am 24.08.2017 .
Wir sind nicht befangen!
Am dritten Prozesstag stellte Verteidiger Werner einen relativ unaufgeregten Befangenheitsantrag gegen den vorsitzenden Richter. Dieser hatte sein Antragsrecht beschnitten. Der Antrag wurde erwartungsgemäß abgelehnt, da der Richter der Ansicht war, das Verfahren in rechtmäßiger Weise beschleunigt zu haben. Dies stehe nicht per se im Widerspruch zu den Rechten der Verteidigung und könne somit auch keine unzulässige Einschränkung der Rechte der Verteidigung sein.
Zwar ging der Vorsitzende nicht auf die Begründung der Verteidigung ein, die jedoch feststellte, dass sie weitere Anträge bezüglich der Glaubwürdigkeit Zeugen Polizeibeamten Graf dann erst unmittelbar vor dessen Vernehmung Anfang September stellen wird. Damit war jedoch erst ein Teil des Vorgeplänkels beendet.
Zeuge Albrecht – Sachsens Polizei
Der folgende Polizeizeuge der BFE-Einheit ist von besonderer Relevanz, da er als Angehöriger des taktischen Teams „blau“ im vorliegenden Fall Anteil an der Festsetzung des beklagten Genossen hatte. Weiterhin ist der Zeuge Kevin Albrecht ein besonders typisch sächsischer Polizeibeamter, da gegen ihn schon mehrere Ermittlungen wegen des Verdachts einer Körperverletzung im Amt geführt wurden, dazu ist er zur Zeit wegen Beihilfe zum Zigarettenschmuggel aus dem aktiven Dienst suspendiert. Er diente mutmaßlich als Polizeikontakt für eine Schmugglerbande, die unversteuerte Zigaretten über die Grenze brachten.
Ein BFE-Beamter aus dem Bilderbuch also, vor allem unter der Prämisse, dass es noch die gebrochene Nase des Genossen aufzuklären gilt.
Bevor Albrecht den Raum betritt, beantragt die Verteidigung, einen Blick in Albrechts Dienstakte sowie Bundeszentralregisterauszug zu werfen, sowie eine Vertagung der Verhandlung, um die Akten auch studieren zu können. Falls dem nicht stattgegeben würde, solle alternativ ein Wortlautprotokoll und aussage-psychologisches Gutachten angefertigt werden, da dem Zeugen nicht zu glauben sei.
Nach einer Pause werden die Anträge fast alle abgeschmettert, mit der Begründung, dass dem Zeugen zunächst nicht mit Misstrauen zu begegnen sei. Der Eintrag im Bundeszentralregister soll allerdings im Laufe der Verhandlung noch verlesen werden, er sollte sich später als eintragslos herausstellen.
Der Zeuge Kevin Albrecht betritt nun den Saal, er wird qualifiziert belehrt, was bedeutet, dass er explizit darauf hingewiesen wird, dass er seine Aussage bei Selbstbelastung auch verweigern kann.
Er hat sich nach eigener Aussage nicht auf seine Aussage vorbereitet, abgesehen davon schildert er den groben Ablauf des Geschehens wie fast alle seiner Kollegen: Etwa 100 bis 120 Personen hätten sich versammelt und den Aufstand geprobt. Die BFE Einheit sei zunächst vorgerückt und hatte sich dann nach Gegenwehr zunächst zurückgezogen. Hierbei seien Steine, etwa golfballgroß und größer, sowie massiv Pyrotechnik, nach Vorhalt auch Molotowcocktails, geworfen worden. Einen Versammlungscharakter hätte der Aufzug nicht gehabt, er war ja schließlich nicht angemeldet. Albrecht musste sich hinter einem zivilen Reisebus auf der Kreuzung verstecken, um nicht von Wurfgeschossen getroffen zu werden, wie er eindrücklich schildern kann.
Dann sei mit dem Kommando „Luft“ das Vorrücken gestartet worden, in dessen Verlauf Albrecht zusammen mit dem Kollegen Graf des Angeklagten habhaft wurde. Er selbst war bei der Festnahme nicht dabei, er hat den Angeklagten erst von einem unbekannten Kollegen in der Grünanlage neben dem Bundesverwaltungsgericht übernommen. Er wisse nicht, wer neben ihm stand und die Festnahme selbst habe er nicht gesehen, da er vorher zur Sicherung mit der Blickrichtung Bundesverwaltungsgericht abgestellt war und sich die Festsetzung hinter ihm abspielte.
Den Angeklagten hatte er allerdings schon vorher bemerkt, da jemand im vorderen Drittel des Mobs einen hellen Beutel mit besonderer Trageweise über die Schulter trug und Albrecht sich das sehr genau gemerkt hatte. Es wird ihm seine erste Aussage vorgehalten: Da hat er noch keine Besonderheiten feststellen können. Albrecht hat dafür keine Erklärung.
In der Grünanlage übernahm er den gestellten Angeklagten also von Graf und einem unbekannten weiteren Kollegen und verbrachte ihn zum Neuen Rathaus, wo er zusammen mit dem Kollegen Graf die Personalien aufnahm und den Genossen durchsuchte. Was dazwischen geschah hat Albrecht nicht mehr im Gedächtnis. Graf zeigte ihm jedoch am Neuen Rathaus den vermeintlichen Beutel des Angeklagten, darin einige Steine. Das Asservat Stein fehlt jedoch im gesamten Prozess.
Die blutende Nase des Angeklagten bemerkte Albrecht nicht, in einem Vorhalt bemerkte er die Verletzung erst an den Autos am Neuen Rathaus.
Nach Albrechts eher patziger Angabe wurde in der Einheit hinterher kein Wort über den Einsatz gesprochen. Er sprach natürlich auch kein Wort mit dem Kollegen Graf. Komödiantische Züge bekommt das Thema, als Albrecht behauptet, eher ein introvertierter Typ zu sein und den Kontakt zu Kollegen allgemein meidet, da er noch ein Leben außerhalb des Dienstes habe. Den Beobachter*innen wird klar: So einer könnte sich nie zu einer Aussage absprechen!
Der eher unsympatische Zeuge wird endlich entlassen.
Es folgt eine Stellungnahme der Verteidigung, dass die Aussage völlig unbrauchbar und unglaubwürdig sei, da Albrechts Erinnerung zufälligerweise an der Kreuzung sehr genau sei aber er kein einziges Detail zur Festnahme wisse. Auch die Theorie der Beutelidentifizierung ist nach RA Werner hanebüchen.
Es folgt nach langer Vernehmung der Zeuge Goly.
Zeuge Goly
Zeuge Thomas Goly ist ebenfalls Polizist und nach eigener Aussage „derjenige, der vor Ort die ersten Maßnahmen trifft und die Polizeikräfte sortiert“. Ihn interessiert vorrangig die Einsatzoptimierung! Er war auch vor Ort, allerdings mit Zeitverzug, da er erst nach den Auseinandersetzungen eintraf. Er konnte allgemeine Angaben zum Schauplatz hinterher machen, allerdings kaum Angaben zum eigentlichen Geschehen. Trotz seines koordinierenden Jobs kann er sich auch die fehlenden Asservaten nicht erklären.
Die Verteidigung stellt Antrag auf die schriftliche Protokollierung einzelner Aussagen, dem jedoch nicht stattgegeben wird.
Die Verhandlung wird nach Golys Entlassung für den Tag beendet.
United we stand! Unsere Solidarität gegen ihre Repression!
Wir lassen den betroffenen Gefährten nicht allein!
Es wird Berichte der weiteren Prozesstage geben.
Rote Hilfe Ortsgruppe Leipzig