Am Abend vom 09.07 auf den 10.07. eskalierte es im Leipziger Osten. Eine geplante Abschiebung, am frühen Abend angesetzt, traf auf eine Stadtteilvernetzung, die an diesem Abend ihrem Namen alle Ehre machte. Innerhalb weniger Stunden wuchs die Masse an Menschen, die solidarisch die Abschiebung verhindern wollten von ungefähr 30 Blockierenden auf rund 500 Abschiebegegner*innen, welche über Stunden die Bullenaktion behinderten. Die Abschiebung konnte jedoch trotz des massiven Widerstand nicht verhindert werden. Was jedoch ins Auge sticht, ist das fast absurde Level von gewalttätiger Eskalation, das die sächsische Polizei an den Tag gelegt hat.
Einen Tag nach der bundesweit mit Lobhudelei überschütteten Vorstellung der neuen (alten) SOKO REX, einer Spezialeinheit die nun mit 45 wackeren Bullen dem Faschismus polizeilich den Kampf ansagen soll, zeigte die sächsische Polizei, wo für sie wirklich der politische Feind steht. Nur einen Tag brauchte die sächsische Polizei um zu beweisen, dass es keine faschistischen Schlägergruppen braucht, wenn es die Polizei gibt. Denn es gibt scheinbar Nichts, was diese Gestalten so mit Hass erfüllt wie Ausländer und Linke, so bewiesen sie es in der Nacht vom 09. auf den 10. Juli 2019.
Der „Korridor“
Was in Medien wie der LVZ und der Bulllenpresse verharmlosend als „Korridor“ bezeichnet, war ein eskalatives Manöver der BF-Einheiten: Der 23jährige von der Abschiebung bedrohte syrische Kurde musste zunächst stundenlang im Bullenauto warten. Den Kontaktgesuch zu seinem Vater verhinderten die Bullen ebenso wie den Kontakt zur Menge der Unterstützer*innen auf der Straße. Plötzlich wurde der 23Jährige Kurde aus dem Auto gezerrt und BFE-Bullen knüppelten sich in wenigen Augenblicken den Weg frei zu einem eigens abgestellten Auto auf der Kreuzung Eisenbahnstraße. Dabei wurde massiv auf Abschiebegegner*innen geknüppelt, die sich ihnen in den Weg stellten oder einfach nur in der Nähe waren. Leute wurden niedergeschlagen und über Fahrräder geworfen.
Kurze Zeit später wurde vom Einsatzleiter angeordnet, das leere Auto zu präsentieren. Einige Bullen konnten es sich bei ihrem Theaterstück nicht verkneifen, hämisch und menschenverachtend dabei zu grinsen, als würden Sie uns sagen: „Seht her, wir haben keine Eskalation ausgelassen, die Abschiebung heute nacht noch zu durchzuziehen.“ Es dauerte eine Weile, bis sich herumgesprochen hatte, was da geschehen war.
Die Bullen
Die restlichen Einsatzfahrzeuge der Polizei wurden daraufhin nicht durchgelassen, zu groß war die Fassungslosigkeit der Leute über den Schmierentrick der Polizei. Nach einer längeren Patt Situation eskalierten die Bullen, indem sie eine BF-Einheit in die Demonstrationsmenge schickte, knüppelte, pfefferte und am Boden Liegende eintrat. Scheinbar um die Blockade gewaltsam aufzulösen.
Während die Cops folgend in Schildkrötenformation wahllos literweise in die Menge Pfefferspray sprühten, die sich auf der angemeldeten westlichen Gehwegseite der Hildegarstraße befanden, wurde eine Person auf der gegenüberliegenden Straßenseite zuerst von den Cops bewusstlos geschlagen und danach Richtung Eisenbahnstraße weggezerrt. Anschließend wurde sie von zwei Bullen bewusstlos und regungslos am Boden liegen gelassen. Fassungslosigkeit und Wut staute sich angesichts einer solchen Szene bei den Abschiebegener*innen. Auf ihre Forderung, Rettungssanitäter*innen zu rufen, antworteten die Bullen lediglich mit: „Ruf den doch selbst.“ Es war solidarischen Leuten zu verdanken, dass sich um die verletzte Person gekümmert wurde, bis sie wieder zum vollen Bewusstsein gefunden hat.
Genoss*innen, die angesichts der Gewalt zu Boden gingen, wurden mehrfach von Bullen am Boden liegend in Gesicht und Torso getreten oder an anderer Stelle mit Schmerzgriffen malträtiert. Wieder wurden Genoss*innen gejagt, über Fahrräder geworfen, gegen Hauswände und Boden geschleudert. Es kam bei Abschiebegegner*innen zu blutenden Kopfplatzwunden, Prellungen, Panikattacken und hundertfacher Verletzung durch Pfefferspray. Mindestens eine Person musste stationär ins Krankenhaus aufgenommen werden. Berichten zufolge schossen die Bullen sogar Tränengasgranaten in die Menge.
Grundsätzlich war das Auftreten der Bullen an diesem Abend nicht in gewohntem Maße gewaltvoll, sondern völlig schrankenlos. Sie beleidigten Abschiebegegner*innen als „Fotzen“ „Kanacken“ und „Hurensöhne“, warfen tretend Mülltonnen um, setzten eine völlig entgrenzte Gewalt an den Tag. Einzelne teleskopschlagstockschwingende Beamte rannten mit sichtbarer Freude voraus um möglichst viel Schaden unter den Teilnehmer*innen der Kundgebung anzurichten. Wir können nicht anders, als die Polizei hier als faschistischen Schlägertrupp zu sehen, die einen unliebsamen Stadtteil in Besatzermentalität niederknüppelte.
Der Widerstand
Der Widerstand gegen diesen absurden Gewaltexzess entlud sich ebenso spontan, wie die Bullen ihn anfingen. Flaschen, Steine, Eier und sämtliches Straßeninterieur flog auf die Polizei. Mehrere Genoss*innen versuchten mit ihren bloßen Händen die Bullen für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen. Es wurden mehrere Barrikaden errichtet.
Wer solchen Widerstand leistet, sollte natürlicherweise darauf aufpassen, nicht im Nachhinein wegen Unachtsamkeiten dafür erwischt zu werden. Falls dies doch passiert, verweigert die vollständig die Aussage und sucht anwaltlichen Rat. Sonst solltet ihr euch nur vertrauenswürdigen Freunden anvertrauen und den Abend durchsprechen. In Social Media Gruppen und der Öffentlichkeit hat euer Mut an diesem Abend nichts zu suchen! Die Polizei hat große Teile des Abends videographiert. Falls ihr auffällige Kleidungsstücke trugt, lasst sie besser verschwinden. Haltet eure Wohnungen frei von sonstigen Beweisstücken.
Die Leipziger Polizei
Der Abend und Nacht des 09. Juli erscheint wie eine Generalprobe für eine rassistisch motivierte Polizei mit massivem Gewaltproblem, wie es sich die AfD nur zu in ihren feuchten Träumen wünschen könnte. Der neue Leipziger Polizeipräsident Torsten Schultze scheint an diesem Abend seinen endgültigen Einstand als Law and Order Hardliner begründet zu haben. Dabei darf nicht vergessen werden: Schultzes Prügeltruppen sorgen immer wieder für rassistische Schlagzeilen. Mehrere Polizeischüler brachen ihre Ausbildung ab weil sie den Rassismus an Leipzigs Polizeischulen nicht mehr ertragen konnten. Fernando V., ebenfalls Lehrer der Leipziger Polizeischule hat engen Kontakt zu Leipziger Neonazis. Die Beispiele ließen sich fortführen. Es muss davon ausgegangen werden dass die Leipziger Bereitschaftspolizei mit Rassisten und Faschisten durchsetzt ist. Was das Vorgehen an diesem Abend beeindruckend bewies.
Die Repression
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags sind 2 Personen in U Haft, es wird ihnen ein schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen.
1) Ein*e Abschiebegegner*in nicht-deutscher Staatsangehörigkeit
2) Ein*e Abschiebegegner*in tunesischer Staatsangehörigkeit
Weiterhin wurde
3) ein*e weiterer*e Abschiebegegner*in festgenommen und ohne U Haft wieder laufen gelassen
Die spontane Solidaritätsdemonstration am folgenden Abend des 10.07. wurde ebenfalls mit einem Polizeikessel beantwortet. Hier wurden ca. 30 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und bei allen Genoss*innen im Kessel eine ED Maßnahme durchgeführt.
Unsere Solidarität
Wir rufen daher zur Bildung eines Solidaritätskomitees auf, das die kommenden Tage seine Arbeit aufnehmen wird. Unsere Solidarität gilt allen, die sich gegen Abschiebungen wehren und danach mit Repression überzogen werden. Wir lassen niemanden allein! Macht weiter auf Abschiebung aufmerksam und organisiert euch im Osten Leipzigs, um auf weitere Angriffe der Cops vorbereitet zu sein! Nehmen wir uns wieder den Kiez und die Straßen!
Solltet ihr von weiterer Repression erfahren oder selbst betroffen sein, lest und empfehlt folgende Broschüren:
Baskilara karsi ne yapmali? Adli yardim teknigi
Was tun wenn’s brennt auf arabisch – عَرَبِيّ
Macht keine Aussagen! Auch keine Zeug*innenaussagen. Es gibt keine harmlosen Statements. Ihr habt ein Recht auf Aussageverweigerung. Bei einer Vorladung sucht uns auf! Ihr müsst nicht hingehen! Jede verlockend aussehende Entlastung für euch rückt andere Genoss*innen potentiell gefährlich in den Fokus.
Wir rufen zudem dazu auf, keine Gedächtnisprotokolle anzufertigen. (Anmerkung von uns: Das haben wir übereilt geschrieben) Wenn ihr Gedächtnisprotokolle anfertigt, seid bitte ausgesprochen achtsam dabei. Dokumentiert nur das Bullenhandeln, nicht aber das, was ihr oder andere Abschiebegegner*innen getan habt oder gar deren Identität. Bewahrt die Gedächtnisprotokolle sicher auf, also auf einem verschlüsselten Stick/Festplatte oder bei eurer*m Anwält*in. Sie können in den falschen Händen großen Schaden anrichten. Auch Bild und Videomaterial des Abends ist mit Vorsicht zu verarbeiten und nicht ohne Absprache mit den Solidaritätsgruppen und Anwält*innen zu veröffentlichen. Jede Information, Video, Fotoserie über den Abend kann ein Beweismittel gegen die angeklagten Genoss*innen sein.
You can’t break us, united we stand!
Rote Hilfe Leipzig
12. Juli 2019