Luwi71-Prozess — Letztes Wort am zweiten Verhandlungstag 21.11.2022

 

erschienen auf https://leipzigbesetzen.noblogs.org/

 

In unserem letzten Wort möchten wir auf die Absurdität des Ganzen Theaters hinweisen. Wir verhandeln, mittlerweile schon den zweiten Verhandlungstag, Hausfriedensbruch! Wir finden es absurd, dass wir alle hier sitzen und uns über Eigentum unterhalten müssen, wenn es gleichzeitig viel dringendere Themen zu verhandeln gibt. Würden wir ein Bruchteil der Zeit hier in andere sinnvollere Sachen stecken, wäre uns allen mehr geholfen. Aber nun sitzen wir einmal hier…

Meiner Meinung nach, hat Herr Heng mit diesem Haus nichts mehr vorgehabt. Er hätte, hat und wird es verfallen lassen. Wo ist der Sinn darin? Es gab einen konkreten Plan für das Haus.

Das Grundstück steht nun bereits seit über einem Jahrzehnt leer und wird nicht genutzt. Daher ist es für eine kulturelle und soziale Nutzung optimal geeignet. Das Haus besteht aus drei Etagen und ist unterkellert. Die oberen Etagen sind mit je zwei Wohnungen mit mehreren Zimmern ausgestattet. Zum Haus gehört ein Garten. Den Räumlichkeiten werden unterschiedliche Nutzungen zugeführt.
Am 23.08.2020 fand eine Vollversammlung mit den Anwohner*innen und Interessierten der Besetzung statt. Aus den Wünschen und Bedürfnissen so wie der aktuellen Einschätzung des Zustandes des Hauses selbst nun ein überarbeitetes Konzept:

Im Erdgeschoss kann ein Café und eine Bar mit integrierter Bibliothek entstehen. Der Verkauf der Getränke basiert auf Spendenbasis. Durch den Aufbau und die Aufteilung der Räume ist es möglich, auch eine Küche für Alle (Küfa) zu organisieren, welche ein bis zwei mal die Woche stattfinden kann. Es ist ebenfalls denkbar, die Räume für öffentliche Veranstaltungen, wie Vorträge, zur Verfügung zu stellen.

Im ersten Obergeschoss sind viele Nutzungsvarianten vorstellbar. Die Ideen reichen von Projektwerkstätten über Plenarräume bis hin zu Vereinsräumen und Sportmöglichkeiten für Kinder sowie Erwachsene. Aber auch Beratungssprechzeiten und Selbsthilfegruppen können die Räume nutzen. Politische Bildung, kulturelle und sportliche Angebote finden hier Platz.

Etagen zwei und drei sind für Wohnmöglichkeiten vorgesehen. Dabei geht es auch um Notfallwohnkonzepte. Inklusive und barrierearme Wohn- und Arbeitsplätze sollen entstehen.

Auch das Flachdach lässt eine vielfältige Nutzung zu. Von Hochbeeten, einer kleinen Bar hin zu Freiflächen für künstlerische Betätigungen sind wenige Grenzen gesetzt.

Im angrenzenden Garten soll ein Gemeinschaftsgarten entstehen. Außerdem können die angrenzenden Kindergärten und Schulen den Garten auch als Schulgarten nutzen.Somit wird ein Ort des Lernens geschaffen.

Im Keller scheint es in der Vergangenheit eine kleine Holzwerkstatt gegeben zu haben, welcher neues Leben eingehaucht werden kann. Eine Selbsthilfewerkstatt kann neben der Holzwerkstatt entstehen und eine gegenseitige Ergänzung ist vorstellbar. In der Selbsthilfewerkstatt wird es einige Werkzeuge und die Möglichkeit geben, Fahrräder und andere Sachen gemeinschaftlich und mit Hilfe anderer zu reparieren. Selbsthilfewerkstätten sind für uns ein Ort der Selbstermächtigung und des gemeinsamen Lernens, zu dem Menschen unabhängig ihrer finanziellen Mittel Zugang haben. Aber auch Proberäume und andere musikalische Ausgestaltung ist vorstellbar.

Wir wollen das Haus als hierarchiefreien, solidarischen Raum, dessen Nutzung und Verwaltung selbstverwaltet und in freier Trägerschaft ist. Eine unkommerzielle Raumnutzung ist eingeschlossen.

Sofern alle rechtlichen Angelegenheiten geklärt sind, wird sich um das Haus gekümmernt. Die Bausubstanz wird geprüft und auftretende Mängel beseitigt, um Sicherheit herzustellen. Dabei wird vor allem auf solidarische, ehrenamtliche Hilfe, werden aber, wenn es nötig ist, auch auf Fachpersonal zurückgegriffen. Die Beteiligung vieler Menschen ist wichtig. Das Haus soll ein offenes Haus sein, in dem soziale Kontakte gepflegt, neues gelernt und sich untereinander geholfen werden kann. Ein emanzipatorischer, solidarischer Ansatz für alle Menschen ist das Ziel. Das Haus stellt einen Freiraum dar, welcher dringend gebraucht wird.

Egal was als Urteil rauskommt, auch bei einem Freispruch, der schlimmere Teil der Strafe ist schon passiert und wird wahrscheinlich auch nicht mehr weg gehen. Der Staat mit seinen Staatsanwält*innen und Sicherheitsbehörden hat erneut seine Aufgabe in der Unterdrückung unserer aller Leben ausgeführt. Indem das Eigentumsrecht entgegen jeglicher moralischer oder demokratischer Logik gewaltvoll durchgesetzt wurde, senden sie ein Signal an alle Menschen, die versuchen ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich die Dreistigkeit rausnehmen, sich nicht der kapitalistischen Maschinerie zu unterwerfen.

Wenn du es wagst leeren Wohnraum wiederzubeleben, wirst du bestraft. Die Staatsmacht kommt zu dir nach Hause, erzwingt die Entnahme deiner DNA und konstruiert damit neue Repression. Sie fotografiert dich von allen Seiten, registriert deine Fingerabdrücke, Größe, Gewicht, Haarfarbe, Muttermale, Tattoos und bringt deine Daten in ihre Verbrecher*innenkartei ein, um sie jederzeit verfügbar zu haben. Wohnst du zufällig in Connewitz, trifft es zusätzlich noch dein Umfeld, auch Leute die du gar nicht kennst. Solltest du nochmal reisen wird das BKA dir dabei ganz offen hinterherschnüffeln. Du bist jetzt offiziell Straftäter*in linx und das obwohl du noch nie für irgendeine Straftat verurteilt wurdest.

Soviel zum demokratischen Rechtsstaat. Es braucht in Leipzig, in Sachsen, in Deutschland, ja, auf der ganzen Welt, nicht viel, um als Staatsfeind*in behandelt zu werden. Sie versuchen uns von jeglichem Engagement für eine andere freiere Welt abzubringen, wenn nicht durch ökonomische Zwänge, dann mit Gewalt und Repression.

Doch besonders der Fall der Luwi71 zeigt, dass wir uns wehren können. Die Solidarität während und nach der Besetzung hat unglaublich viel Kraft gegeben. Wir werden die Tage vor und nach der Räumung nie vergessen, jede mögliche Strafe kann uns das Erleben kurzer Momente von Freiheit nicht kaputt machen.

Vorallem aber sollten wir sie das niemals vergessen lassen. Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen!

Ob Eigentümer*innen, Cops oder Gericht, unsere Solidarität gegen ihre Repression!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.