Pressemitteilung vom 12.11.2020 des Solikomitee 31.12.
Am 11.11. fand der zweite Verhandlungstag im vierten Prozess zur Connwitzer Silvesternacht 2019/20 am Amtsgericht Leipzig statt. Dem Angeklagten wird u.a. Körperverletzung gegen Polizeibeamte vorgeworfen.
Das Gericht eröffnete mit der Aufhebung des seit Januar vorliegenden Haftbefehls und der Meldeauflagen. Damit wurde gegen den Willen der Staatsanwaltschaft einem vorausgegangenen Antrag des Verteidigers statt gegeben.
Ein Antrag das Verfahren auf Grund der Covid-Situation zu verschieben wurde dagegen abgelehnt. Das Gericht verwies leichtfertig auf bestehende Hygienebestimmungen, ging aber in keinem Punkt auf die Zugehörigkeit des Angeklagten zu einer Risikogruppe ein. Als Konsequenz stellte die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen den vorsitzenden Richter. Dieser würde dem Angeklagten unabhängig des Prozessausgangs eine Ersatzstrafe zuführen indem er auf die schnelle Sacherledigung bestehe. Eine Entscheidung der prüfenden Abteilung steht aus.
Anschließend lehnte der Richter audiovisuelle Aufzeichnungen der Zeugenaussagen ab. Diese wären dem Rechtsanwalt zufolge notwendig, da Polizei-Zeugen zuvor Akteneinsicht erhalten hatten und damit ihre originären schwer von angelesenen Erinnerungen zu unterscheiden sind. Ein daraufhin erfolgten Widerspruch gegen die Vernehmung solcher „priviligierter“ Zeugen wurde ebenfalls abgelehnt.
Im Kern der Verhandlung stand die Zeugenanhörung von zwei Polizeibeamten: F. Petter und J. Schönrath. Wie sich herausstellte hatten beide keine konkrete Initialhandlung, wie einen Faustschlag, durch den Beschuldigten beobachtet. Darüber hinaus bestätigten sie ebenfalls unabhängig von einander eingeschränkte Sichtverhältnisse, trotz derer sie auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung einen unbehelmten Beamten in einem „Gerangel“ mit dem Beschuldigten erkannt haben wollen. Wer genau den Befehl zum Hinüberrennen gab und wie dieser übermittelt wurde blieb dagegen im Dunkel. Für die Folge dieser möglicherweise nicht angebrachten Maßnahme, Bewusstlosigkeit und erhebliche Verletzungen des Angeklagten, wollte sich der am Zugriff beteiligte Polizist Petter nicht entschuldigen. Eine polizeiliche Nachbesprechung des Sachverhaltes fand dem Gruppenführer des Einsatzes, Schönrath, zufolge nicht statt.
Anja Schwerthoff vom Solidaritätskomitee 31.12. dazu: „Wir fragen uns wie ein der Art gewaltsames Einschreiten in eine offenbar ungeklärte Situation gerechtfertigt ist. Im Gegenteil liegt im Kontext des offensiven Auftritts der Polizeikräfte in der Silvesternacht eine gewollte Aggression durch die Beamten Nahe. Gerade im polizeifeindlichen, links-alternativen Connewitz müssen persönliche Motive berücksichtigt werden – bei einer sächsischen Polizei, in der rechtsextreme Gesinnungen schon lange keinen Einzelfall mehr darstellen“. Letzteres sei auch im aktuellen Prozess sichtbar: Im Verlauf des Anhörungen wurden die Zeugen zu einem Foto befragt, auf welchem der Beamte Petter mit dem bekannten Nazi Brian Engelmann und Mitgliedern des rechtsgerichteten Imperium Fight Teams zu sehen sind.
Für den folgenden Prozesstag am 02.12. kündigt das Solidaritätskomitee 31.12. weitere Aktionen an.