Dieser Text ist in der aktuellen Ausgabe des gefangenen info erschienen: 2/19, #422, S. 26.
Am Abend des 23.03. haben wir wie angekündigt unsere Veranstaltung „Solidarität statt Angst“ in Leipzig gemacht. In der Veranstaltung hatten wir mehrere Genoss*innen mit und ohne Hafterfahrungen undoder Erfahrungen mit Soliarbeit mit Gefangenen eingeladen, um gemeinsam mit dem Publikum darüber zu sprechen, wie wir die oft genutzte Parole „Solidarität muss praktisch werden!“ mit praktischen Inhalten füllen können und für uns alle einen kollektiven und offensiven Umgang mit der steten Androhung von Repression und insbesondere auch ihrer Zuspitzung in Form von Knast zu finden. Vorbereitend auf den Abend hatten wir auch eine Broschüre herausgegeben, die u.a. auch digital zu finden ist.
Neben der Moderatorin saßen auf dem Podium Wolfgang, der im Netzwerk “Freiheit für alle politischen Gefangenen“ aktiv ist und das „Gefangenen Info“ mitherausbringt, Christian, der u.a. wegen antifaschistischer Aktionen im Knast saß und dem von den Behörden eine „gewichtige Symbolfunktion in der links-extremistischen Szene“ zugeschrieben wird, Nero, der wegen des Blendens eines Bullen-Helikopters im Kontext von Protesten um die Rigaer Str. für eineinhalb Jahre eingesperrt wurde und Hanna, die u.a. mehrfach wegen Castor-Blockaden Repressionen bekommen hat und diese teilweise auch im Knast ersatzweise abgesessen hat, aber auch z.B. als Laienverteidigerin Unterstützungserfahrung gesammelt hat. Die Veranstaltung war mit ungefähr einhundert Menschen gut besucht.
Außerdem haben wir auch schriftliche Antworten von Lisa, einer Anarchistin, die wegen eines Bankraubs zuerst in Willich und nun in Madrid eingesperrt wird, verlesen. Sie hatten wir neben weiteren Gefangenen im Voraus zu unserer Veranstaltung angeschrieben, um ihnen auch über die Mauern hinweg die Möglichkeit zu geben, sich an der Veranstaltung zu beteiligen und mit uns in einen Austausch zu treten. Wir haben auch ein Grußwort zum 18.03. von Yusuf Tas, nach §129b wegen Mitgliedschaft in der DHKP-C eingesperrt, verlesen, in dem er von seinem Alltag schreibt, aber auch die Notwendigkeit von einem kollektiven Umgang mit Knast, vor allem außerhalb der Mauern, betont. In unserer Broschüre findet sich auch noch ein Grußwort von Hülya, die in Willich eingesperrt ist und dort auch Lisa kennengelernt hat.
Die Menschen auf dem Podium haben viel von ihren alltäglichen Erfahrungen im Knast oder als Genoss*innen von draußen erzählt und verschiedene Punkte benannt, die in einer Vorbereitung auf Knast konkret bedacht werden können, um das eingesperrt sein erträglicher zu machen, sowohl vor als auch hinter den Mauern. Hin- und wieder haben auch Genoss*innen aus dem Publikum die Debatte mit ihren Erfahrungen und Gedanken ergänzt.
Als ein wichtiger Punkt, um die häufig auch diffuse Angst vor Knast greifbarer und damit auch bewältigbarer zu machen, wurde die Notwendigkeit eines solidarischen Umfelds benannt, um das mensch sich sicher sein kann, dass – wenn es dann zu einer Haft kommt – eben nicht die staatlich beabsichtigte Isolation eintritt, sondern die Gefangenen weiter bspw. über Briefe oder Telefonate an Debatten, die außerhalb der Knastmauern geführt werden, auf dem laufenden gehalten werden und auch weiter davon ein aktiver Teil ihrer Zusammenhänge bleiben können. Auch jede kleine Soli-Aktion von draußen ist dabei unterstützend.
Daneben wurde auch benannt, dass es sich als hilfreich erweisen kann, wenn mensch sich schon vor der konkreten Androhung von Knast überlegt, welche Vorbereitung für den Knastaufenthalt getroffen werden sollen und auch wie ein Strafprozess geführt werden soll. So macht es in Bezug auf einen Strafprozess Sinn sich im Voraus zu überlegen, dass z.B. keine Einlassung gemacht werden soll, sondern eine politische Prozesserklärung abgegeben werden soll, um keine erpresserische Situation im Gerichtssaal entstehen lassen zu können oder auch, welche Unterstützung genau mensch sich durch ihre*seine Verteidigung wünscht. In Bezug auf den Knastaufenthalt sind es teilweise ganz banal erscheinende Fragen, mit denen mensch sich vorbereiten kann, also ob der eigene Name oder ein Pseudonym veröffentlicht werden soll, damit Post geschrieben werden kann oder was in der Knast-Zeit mit der Wohnung/dem Zimmer/dem Wagen passiert, aber auch solche, die für die Gefährt*innen wichtig sind, also welche*wer die eingesperrte Person in den nächsten Jahren im Knast besuchen mag, obwohl sie*er ihre*seine Daten dafür offenlegt, oder ihre*seine Pflanzen gießt/die Katze füttert/ansprechbar für Freund*innen und Familie ist.
Insgesamt gab es schon einen bereichernden Austausch zum Thema und uns haben auch, aller Schüchternheit im Publikum zum trotz, positive Rückmeldungen erreicht, dass die Angst vorm Knast und dem allein sein tatsächlich ein kleines bisschen weniger geworden ist.
Wir mussten aber auch feststellen, dass wir die Debatte um das Thema Knast noch mehr in unsere alltägliche Praxis integrieren müssen, auch, wenn das eine Debatte ist, die wir schon lange führen, doch verändert sie sich stetig. Wir denken, dass eine stete, solidarische Debatte es eben auch ermöglicht, dass wir um einander wissen, uns gegenseitig auf einander beziehen und uns stärken können: Kollektivität in der Bewegung braucht es nicht erst im Knast, sondern auch hier draußen. Dabei bleibt es schwierig, die Debatten so zu führen, dass sich alle beteiligen können – auch nach zwanzig Monaten faktischem Verbot von linksunten.indymedia.org haben wir uns noch keine alternative Plattform geschaffen.
Das hier soll nicht der einzige Teil unserer Auswertung bleiben. Daneben wünschen wir uns aber auch eine Fortführung der Debatte und Bezugnahmen auf unsere Auswertungen, also schreibt uns.
Knäste zu Baulücken!
Für eine freie und solidarische Gesellschaft!