Hallo liebe Demonstrations-Teilnehmer*innen,
das Thema dieser Demonstration ist so global wie grundsätzlich.
Wenn wir über Kapitalismus und Krise sprechen und die kapitalistische Aufwertung der Städte in den Blick nehmen, dann muss auch über Repression gesprochen werden.
Wenn Menschen gegen Unterdrückung und Ausbeutung aufstehen, wenn Selbstermächtigung und Selbstorganisation die Interessen des Kapitals oder die Logik des bürgerlichen Staates stören, dort kommen repressive Mechanismen zum Zug.
Schauen wir über unseren eigenen kleinen Tellerrand in die krisengeschüttelten europäischen Staaten: In Spanien soll das Demonstrationsrecht unter dem Titel „Bürgersicherheit“ derart verschärft werden, dass die inzwischen häufigen Protestmärsche gegen soziale Einschnitte praktisch unmöglich werden. Spontane Demonstrationen vor staatlichen Institutionen sollen ebenso wie die escraches, die Belagerung der Häuser und Arbeitsplätze von Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft, zukünftig unter Strafe stehen.
In Griechenland reagiert die Polizei mit krasser Gewalt auf soziale Proteste. Wer gegen die Zumutungen der Krisenpolitik aufbegehrt muss damit rechnen mit chemischen Reizstoffen und Blendschockgranaten traktiert zu werden. DemonstrantInnen, die inhaftiert wurden, haben oft keinen Zugang zu Ärzten oder AnwältInnen. Insbesondere MigrantInnen und auch linke Strukturen bekommen die Härte des Staates in Reinstform zu spüren. Als Angela Merkel neulich Athen besuchte um über die vermeintlichen Fortschritte bei der Umsetzung von Auflagen der Troika zu wachen, herrschte zum wiederholten Mal Demonstrationsverbot in der Innenstadt.
Symptomatisch für die griechischen Zustände steht noch immer der Tod von Alexis. Der 15-jährige, der Teil einer sozialen Revolte gegen die schlechten Zukunftsperspektiven war, wurde 2008 von zwei Polizisten erschossen.
Liebe Genossinnen und Genossen. Es kann uns nicht darum gehen zivilisierte Mittel im Umgang mit Protest zu fordern. Es sind die Verhältnisse an sich, die Ursachen des Protestes, gegen die wir zu Felde ziehen müssen!
Wir, die Rote Hilfe, organisieren Solidarität für die, die aufgrund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden. Politische Betätigung in diesem Sinne ist z.B. das Eintreten für die Ziele der Arbeiter_innenbewegung, die Internationale Solidarität, der antifaschistische, antisexistische, antirassistische, demokratische und gewerkschaftliche Kampf sowie der Kampf gegen Antisemitismus, Militarismus und Krieg. Unsere Unterstützung gilt denjenigen, die deswegen ihren Arbeitsplatz verlieren, Berufsverbot erhalten, vor Gericht gestellt und zu Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt werden oder sonstige Nachteile erleiden.
Aus unserem strömungsübergreifenden Ansatz ergibt sich, dass wir normalerweise keine politischen Statements abgeben. Durch unsere Unterstützungsarbeit wollen wir allerdings Leute dazu ermutigen und befähigen, sich politisch zu engagieren, Widerstand gegen die Zumutungen des Kapitalismus zu leisten. Das kann sehr vielfältig sein, sei es um:
- gegen den nächsten Castor-Transport aktiv zu werden
- ein leerstehendes und vor sich hin rottendes Haus zu besetzen oder die Räumung desgleichen zu verhindern
- gegen den nächsten Naziaufmarsch im Nachbarort zu demonstrieren, genauso wie heute in Plauen!
- homophobe Veranstaltungen zu blockieren wie erst neulich die sogenannte Compact-Konferenz in Schkeuditz oder die Sicherheitskonferenz in München, wo sich die Kriegstreibenden aus aller Welt über ihre nächsten Waffengeschäfte austauschen
- um rassistischen Mobilisierungen entgegenzutreten, wie den neuerlichen Aktionen gegen den Moscheebau in Gohlis
Wir unterstützen außerdem Gerichtsverfahren gegen repressive (und oft verfassungswidrige) Maßnahmen von Polizei und Verfassungsschutz und verteilen Informationen, wie ihr euch gut vor Repression und Überwachung schützen könnt.
In Sachsen sind kritische Proteste nicht besonders gern gesehen. Hier setzt die Polizei chemische Stoffe, die explizit nicht für den Einsatz gegen Personen hergestellt hat, gegen DemonstrantInnen oder auch Fußballfans ein. Hier werden Anti-Nazi-DemonstrantInnen mit großflächigen Ausspähungen der Mobilfunkkommunikation überzogen. BlockiererInnen bekommen es mit Polizei und Justiz zu tun. Nicht zuletzt der skandalöse Prozess gegen den Jugendpfarrer Lothar König steht symptomatisch für das Verständnis der sächsischen Demokratie. Wir wollen in diesem Zusammenhang auch an die über 25 Menschen erinnern, gegen die seit mehr als drei Jahren wegen des Verdachtes auf Bildung einer kriminellen Vereinigung – nach § 129 – ermittelt wird.
Auch hier in Leipzig begleiten uns repressive Maßnahmen alltäglich. Erst kürzlich wurde in Connewitz eine verdammt teure Überwachungsanlage demontiert. Per schwenkbarer Videokamera wurde die Simildenstraße videographiert und sämtliche Inhalte zu den Spitzeln gefunkt. Kurz vorher wurde in der Wiedebachpassage ein Polizeiposten eröffnet, angeblich um Sachbeschädigungen Einhalt zu gebieten.
Viel wahrscheinlicher ist, dass es mit diesen Maßnahmen darum geht widerständiges Potential im Keim zu ersticken.
Connewitz gilt offensichtlich als sogenanntes „Gefahrengebiet“: wohlmeinende Bürger*innen könnten sich vor lauter Graffiti wohl nicht mehr sicher fühlen. Im sächsischen Polizeigesetz wird so ein Gebiet „Kontrollbereich“ genannt. Und das Gesetz zu solch einem Kontrollbereich befähigt die Polizei Menschen ohne konkreten Tatverdacht festzuhalten und sie polizeilichen Maßnahmen zu unterziehen.
Jährlich zu Silvester bevölkern unzählige Polizeihundertschaften die Straßen von Connewitz. Jede und jeder, die irgendwie da unterwegs ist, steht unter Generalverdacht, mit einem Knaller einen Briefkasten zu sprengen. Dementsprechend sind auch die Kontrollen und Sanktionen: Spaziergänger*innen werden willkürlich an die Wand gedrückt, Personalien werden festgestellt, rabiate Durchsuchungen werden vorgenommen und wenn sich nur eine Betroffene traut, etwas Kritik an diesem Verhalten zu äußeren, hagelt es Anzeigen wegen Widerstands oder Landfriedensbruch und gern auch mal ein paar Tritte und Schläge. Bei solch einem Verhalten wird klar, dass die Gefahrenzone in Connewitz eindeutig von der Polizei selbst geschaffen wird.
Solltet ihr in eine dieser Situationen kommen und die Polizei will euch einschüchtern oder fertigmachen, versuchen wir, euch mit Rat und Tat bei Seite zu stehen. Kommt eine Vorladung von der Polizei: geht nicht hin! Solltet ihr in Gewahrsam oder gefangen genommen werden: Macht keinerlei Aussagen!!! Euch werden daraus keine Nachteile entstehen.
Ihr kennt alle den obligatorischen Standardsatz amerikanischer Cops, wenn sie Leute festnehmen: „sie haben das recht zu schweigen. alles, was sie ab jetzt sagen, kann und wird gegen sie verwendet werden.
So blöd es ist, aus Filmen zu lernen, aber hier stimmt’s! Lasst euch bloß nicht von so Unfug wie Tatort verwirren, da quatschen einfach alle. Bei uns geht es aber nicht um fiesen Mord aus Niedertracht, sondern um eine gerechtere Gesellschaft! Die Polizei kann dabei nicht unser Partner sein: sie setzt seit jeher die Interessen der Herrschenden durch, auch mit dem Schlagstock, wenn’s sein muss.
In diesem Sinne wünschen wir Euch und uns noch eine kraftvolle Demonstration zum internationalen Kampftag der Arbeiter*innen. Bleibt solidarisch, passt aufeinander auf und lasst nicht locker im Kampf um eine befreite Gesellschaft!