Prozessbericht 22.04.25 – Berufungsverfahren: Sachbeschädigung gegen BILD-Büro

Der Berufungsprozess am 22.04.2025 wurde wegen einer Sachbeschädigung im Mai 2021 gegen das Büro der Bild-Redaktion in Leipzig vor dem Landgericht Leipzig verhandelt. 1,5 Jahre zuvor endete der Prozess am Amtsgericht mit einem Freispruch (Prozessbericht: https://antirepression.noblogs.org/post/2023/10/28/sachbeschaedigung-gegen-bild-buero-prozessbericht-19-09-2023/), wogegen der eifrige Oberstaatsanwalt Schulz Berufung einlegte.

Nach der Beschädigung des Bild-Büros wurde ein Bekenner*innenschreiben veröffenlicht (https://de.indymedia.org/node/148080), welches der Angeklagten angehängt werden soll. Darin wird insbesondere „Sexismus und Sensationsgeilheit“ in der Berichterstattung der Bild-Zeitung beim Antifa-Ost-Prozess kritisiert. Das einzige Indiz, eine minimale DNA-Spur an einem Pflasterstein, reicht auch dem Richter vor dem Landgericht nicht aus und die Berufung der Staatsanwaltschaft wird zurückgewiesen – Es bleibt beim Freispruch.

Vor Prozessbeginn werden die Taschen der Besucher*innen durchsucht, Glasflaschen müssen abgegeben werden und die Besucher*innen müssen durch eine Sicherheitsschleuse. Der Sitzungssaal ist sehr groß und es sind um die 20 solidarische Zuschauer*innen in Schlafanzügen und Bademänteln, mit Kuscheltieren, Schlafmasken und Kaffee da, getreu dem Aufruf 😉

Zu Beginn des Prozesses beantragt die Verteidigerin einen Aussetzungsantrag, da der Staatsanwalt (StA) kurz vor dem Prozesstermin neue Akten und Dokumente in die Prozessakte mitaufnahm, welche der Verteidigerin zu spät zur Verfügung gestellt wurden. Dadurch konnte sie diese nicht sichten und sich adäquat darauf vorbereiten.
Bei den Akten geht es um vorherige und abgeschlossene Verfahren der Angeklagten – das Bekenner*innenschreiben zur vorgeworfenen Tat, den Aufruf aus erster und zweiter Instanz und den Prozessbericht aus erster Instanz. Der StA  ist der Ansicht, dass dies alles der Verteidigung und der Angeklagten zur Verfügung stehen und bekannt sein müsste. Dem war aber nicht so.
Der Richter hat sich so etwas schon gedacht, fragt die Verteidigerin aber mit einem leichten Augenzwinkern, ob sie sich den Aussetzungsantrag nicht doch nochmal überlegen möchte, weil es dann zu einem neuen Prozesstermin kommen muss, a la „kommen Sie schon, ziehen wir es heute durch und stellen die Sache ein“.

Nachdem erstmal von Seiten des Richters festgestellt wurde, ob es sich bei der Angeklagten wirklich um die Angeklagte handelt, problematisiert der Richter selbst die Verwertbarkeit des DNA-Treffers für diesen Prozess. Die Verwertbarkeit ist hier nicht gegeben, da das DNA-Profil der Angeklagten eigentlich aus einem anderen Verfahren stammt und einfach so weitergenutzt wurde. Das Weiternutzen bzw. Speichern von DNA-Profilen ist  nach §81g StPO allerdings nur bei schweren Straftaten zugelassen. Außerdem greift der Richter die Verwendung des aufgefundenen Steins auf, bei dem er nicht weiß ob dieser die Scheibe getroffen hat und ob er überhaupt für das Werfen auf die Scheibe gedacht war.

Die Verteidigerin bleibt dabei, dass es ein Risiko ist zu verhandeln, wenn die Aktenlage nicht klar ist. Außerdem rügt sie den StA, dass dieser mal zu pötte kommen muss und nicht kurz vor den Osterfeiertagen weitere Unterlagen der Akte beifügen kann.

Der StA bleibt ebenfalls bei seiner Berufung – er möchte, dass die Angeklagte verurteilt wird. Darauf bleibt dem Richter nur zu sagen, dass er die Rücknahme der Berufung auch nicht bezwecken wollte, auch wenn er es nicht schlecht fände.

Der Richter schlägt eine Pause von 15 Minuten vor, damit die Verteidigerin sich die hinzugefügte Akte durchschauen kann. Die Verteidigerin stimmt zu und der Prozess wird unterbrochen.

Nach der Pause wird der Antrag auf Aussetzung vom Richter abgelehnt und der Prozess findet wie geplant statt.

In der folgenden Beweisaufnahme werden zwei Zeuginnen gehört.

Die erste Zeugin S. gibt wie beim Prozess am Amtsgericht an in ihrer Raucher*innepause im „inoffiziellen Raucher*innenzimmer“ zwei kaputte Fensterscheiben und Pflastersteine unterhalb der Fenster bemerkt zu haben. Daraufhin hatte sie den Redaktionsleiter informiert und die Cops gerufen. Ihre Aussagen decken sich sehr mit denen, die sie in der ersten Instanz machte. Die Zeugin S. arbeitet mittlerweile nicht mehr bei der Bild. Warum wollte sie auf Nachfrage des StAs  nicht sagen.

Die zweite Zeugin G. war die Polizeibeamtin vor Ort und hatte damals die Spurensicherung vorgenommen. Auch ihre Aussagen decken sich sehr mit denen aus der ersten Instanz und sie verweist wieder auf das Protokoll, welches sie nach der Spurensicherung angefertigt hat. Außerdem darf sie, wie schon in der ersten Instanz ausführlich über die DNA-Sicherung mittels einer Folie, deren Name nicht verstanden werden konnte, berichten.

In der weiteren Beweisaufnahme wird das Bekenner*innenschreiben (https://de.indymedia.org/node/148080) und einige Schlagzeilen der Bild zu Lina vorgelesen.

Das Gutachten zu den DNA-Spuren an den Glassplittern wird vom Richter zusammengefasst. Hier legt die Verteidigerin Widerspruch ein, da die DNA-Verwendung der Angeklagten nicht rechtmäßig ist, wogegen der StA widerspricht.

Außerdem wird der Prozessaufruf verlesen und das Sharepic beschrieben („vier tanzende Personen…“).

Danach gibt der StA einen Aufruf des Landeskriminalamtes (LKA) und der Staatsanwaltschaft mit einem Zeug*innenaufruf zur vorgeworfenen Sachbeschädigung zur Akte. Hier legt die Verteidigerin abermals Widerspruch ein, da es sich hier um eine Überinterpretation des DNA-Treffers handelt, da eine Person pro Tag 40.000 Körperzellen verliert und rumschleudert. Daraufhin faselt der StA etwas von Naturwissenschaft und Auswertung von DNA. Der Antrag der Verteidigerin wird vom Richter zurückgewiesen.

Es folgt eine erneute Pause, in der im Selbstleseverfahren der Prozessbericht der ersten Instanz gelesen werden soll (https://antirepression.noblogs.org/post/2023/10/28/sachbeschaedigung-gegen-bild-buero-prozessbericht-19-09-2023/) und der StA sein Abschlussplädoyer vorbereiten kann.

Nach der Pause beantragt der StA die Abfrage der Entfernung zwischen der ehemaligen Wohnanschrift der Angeklagten und des Floßplatzes. Nach längerem hin und her wer diese Abfrage durchführt, kommen der StA und die Protokollantin auf Ergebnisse mit dem Auto und zu Fuß. Hier möchte der StA aber ganz genau sein und fragt, ob auch aktuelle Umleitungen miteingerechnet wurden, da es zur Zeit so viele davon gibt. Als dann auch noch die Entfernung mit Bus und Bahn ermittelt werden soll muss sogar die beisitzende Schöffin mit dem Kopf schütteln.
Auf die Beantragung des StAs beantragt die Verteidigerin die Aufnahme, dass die Angeklagte Studentin ist und die Unibibliothek Albertina um die Ecke des Floßplatzes liegt und der Floßplatz außerdem auf dem Anreiseweg zur Uni der Angeklagten gelegen hat. Deshalb werden hier auch die Kilometerabstände ermittelt.

An die Beweisaufnahme anschließend werden die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten, d.h. Ausbildung, Zukunftspläne und finanzielle Situation, erfragt.

Plädoyers

In seinem Plädoyer ist sich der Oberstaatsanwalt Schulz sicher: Die Angeklagte hat sich schuldig gemacht und ist entsprechend zu bestrafen. Für den StA gibt es keine Anhaltspunkte, warum die Angeklagte ihre DNA dort hinterlassen sollte, wenn sie nicht bei der Sachbeschädigung des Bild-Büros dabei gewesen ist. Die Angeklagte ist schließlich nicht auf dem Bau tätig.
Außerdem sieht er klare Anhaltspunkte für die Schuld der Angeklagten (Achtung, es folgt eine äußerst präzise Detekivarbeit des StA): Es gab ein Bekenner*innenschreiben mit Bezug zu Lina, im letzten Wort der ersten Instanz ist die Angeklagte auf das Antifa-Ost-Verfahren und Lina eingegangen und die Angeklagte hat sich nach der Verurteilung der Angeklagten im Antifa-Ost-Verfahren solidarisch gezeigt. Außerdem wurde alles wieder in den Aufruf für diesen Prozess gepackt. Trotzdem soll die Verteidigerin gesagt haben, dass die Angeklagte mit allem nichts zu tun hat. Und wenn hier wer gefragt wird, wer der Ermittlungsausschuss ist schauen alle nur an die Decke… Unverschämtheit!!1! Für den StA steht fest: Es gibt Verbindungen und eine Motivation! Jedoch geht es ihm hier nicht um Sippenhaft!
In seinem Plädoyer dreht sich der StA ganz schön im Kreis und kommt einfach nicht zum Punkt. Der StA fordert 50 Tagessätze à 14€ und die Übernahme der Kosten des Verfahrens durch die Angeklagte. Er schlägt wegen eines anderen vorher abgeschlossenen Verfahrens jedoch einen Härteausgleich vor (30 TS a 14€).

Die Verteidigerin hält sich deutlich kürzer. Sie verweist darauf, dass die Aussagen zu den Steinen des StA nur Mutmaßungen und Arbeitshypothesen sind. Sie stellt klar, dass der Antifa-Ost-Prozess nicht nur in einer linken Szene sehr präsent war, sondern sich eine breite Masse an Menschen über die Berichterstattung aufgeregt hat. Außerdem betont sie nochmals, dass die DNA-Spur der Angeklagten nicht für dieses Verfahren genutzt werden darf. Wenn dies so sein sollte, könnte eine einzelne Hautzelle dafür sorgen, dass Personen angeklagt werden, nur weil sie z.B. eine Person gestreift haben, die später eine Tat begeht oder der etwas angetan wird. Die Verteidigerin fordert einen Freispruch.

Zum Plädoyer der Verteidigerin muss der StA natürlich noch drei irrelevante Dinge loswerden…

Es folgt das letzte Wort der Angeklagten:

Kurz vorab: In meinem letzten Wort werde ich nicht darauf eingehen, was mir vorgeworfen wird. Sollten Parallelen gezogen werden, so sind sie konstruiert.
Im heutigen Prozess ging es viel um DNA aber auch um die Bild-Zeitung. Zur „Pressearbeit“ der Bild möchte ich an dieser Stelle gar keine Worte verlieren.
Für die mir vorgeworfene Sachbeschädigung wurde ich am Amtsgericht vor ungefähr 1,5 Jahren vom Richter freigesprochen. Doch dank des Verfolgungseifers der Staatsanwaltschaft sitzen wir jetzt nochmal hier, da diese nicht zögerte in  Berufung zu gehen.

Es folgt nun ein kleiner Abriss des Justiz-Theaters der letzen 3 Jahre:
Hauptbeweismittel war und ist eine DNA-Spur an einem Stein aus Leipzig, bei dem es erhebliche Zweifel an der Herkunft gibt. Also es ist völlig unklar, wo die Steine als vermeindliche Tatmittel her kommen. Von vor Ort scheinen sie nicht zu sein. Am sogenannten Tatort wurden eben nun zwei Steine von woher auch immer gesichert, von denen einer Glasanhaftungen und der andere Anhaftungen von DNA Spuren dicht an der Nachweisgrenze hatte. Konkrete Angaben konnte die Polizeibeamtin, die damals die Spurensicherung durchgeführt hat, nicht mehr machen. Dass der Stein, der die Tat bezeugen soll, der irgendwo gefunden wurde ist doch nebensächlich. Genauso nebensächlich ist, dass meine DNA im Zusammenhang eines anderen Ermittlungsverfahrens entnommen wurde, im hiesigen Verfahren gar nicht hätte genutzt werden dürfen, oder gar nicht erst in die DNA-Analysedatei eingestellt werden dürfen und damit mein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kurzherhand ausgehebelt wurde.

Trotz allem: Bei einem DNA-Treffer im Fall der Sachbeschädigung ist der nächste Schritt doch klar! Er lautet Hausdurchsuchung… ja, es ist wirklich verrückt.

Im Zuge der Ermittlungen sind Beamt*innen am frühen Morgen des 26. Januar 2022 in unser zu Hause eingedrungen. Sie haben unsere derzeitige Wohnung völlig auf den Kopf gestellt und meine damalige Mitbewohnerin schikaniert. Haben etliche Sachen mitgenommen, die ich circa zwei Jahre später zurückbekommen habe. Zwei Jahre! Ermittlungen dauern ja schließlich, oder was? Ich stand zu dem Zeitpunkt mitten im Studium. Ende Januar ist die Prüfungsphase nicht weit. Da den Laptop zu entwenden und sich dann dermaßen Zeit zu lassen ist gelinde gesagt frech. Es lässt einen nicht anders zurück zu denken, dass bei Hausdurchsuchungen Staatsmacht demonstriert werden soll. Leute sollen mundtot gemacht werden. Durchsuchungen dienen so auch als ein Abschreckungs- und Einschüchterungsmittel für Betroffene aber auch andere Personen im Umfeld. Es wirkt lähmend, und scheint erfolgreich bei dem Ziel, Leute für eine Zeit oder für immer auf stumm zu schalten. Sie zu Robotern der Gesellschaft zu machen und Kritik an Zuständen einfach in sich rein zu fressen. Es ist widerlich, wie gut diese Taktik funktioniert und scheinbar aufgeht. Ich habe immer noch schlaflose Nächte, in denen ich nicht schlafen kann. In denen ich nicht einschlafen kann oder schweißgebadet aufwache. Albträume sind allgegenwertig, zu denken: „Scheiße, was ist, wenn sie morgen wieder da sind?“ keine seltenen. Und doch sind viele, die eine Hausdurchsuchung erlebt haben, wie Skydancer – diese Menschenfiguren, die von unten mit Luft gefüllt werden und so immer wieder eine steh-auf-Bewegung machen. Wir stehen wieder auf und kümmern uns umeinander, veranstalten Sleepover Partys und telefonieren bis spät in die Nacht.

In Verküpfungen von Ermittlungen, Vorwurf und Verfahren scheint mir auch der Wert des Eigentums zentral zu sein. Der Wert des Eigentums wird dabei über das von Menschen gestellt. Der private, materielle Besitz, meist also eine Sache, die sich leicht reparieren lässt, wird hier konkret über das seelische Wohlbefinden von Personen gestellt. Dieses wiederum lässt sich aber nicht so einfach kleben, wie eine Fensterscheibe, weil sie komplexer ist. Und doch scheint genau dieser Punkt egal zu sein. Ich bin egal – eine Fensterscheibe hat mehr Wert in der Gesellschaft als ich. Diese Fensterscheibe gilt es zu verteidigen. Währenddessen die Fensterscheibe repariert und ausgetauscht wurde, sieht es bei mir anders aus. Zuschlagende Autobustüren verbinde ich leider nicht mehr mit Campen an einem schönen Ort sondern zucke zusammen, ziehe meine Schultern nach oben und schaue vorsichtig um mich. Diese Verteidigung des Eigentums geht soweit, dass unsere Wohnung durchsucht wurde, wir diese und unser Wohnumfeld aufgegeben haben, ich nicht nur vor das Amtsgericht gezerrt wurde sondern auch heute wieder hier sitze. Was für unendlich viel Zeit hier rein geflossen ist, mit der wir alle hätten besseres anfangen können…das ist schon einfach ein ganz schönes Theater!

Naja… zurück zum Verfahren: Besonders lächerlich und fragwürdig scheint, dass DNA Spuren als einzige und eindeutige Grundlage für Verurteilungen in politischen Verfahren reichen sollen. Denn wenn die Spurensicherung kommt, wird alles, was irgendwie greifbar und nicht niet- und nagelfest ist, aufgesammelt und mitgenommen. Jedoch lässt das Vorfinden von DNA-Spuren an einem Ort nur den Rückschluss darauf zu, dass die DNA einer bestimmten Person auf die eine oder andere Weise zu dem einen oder anderen Zeitpunkt dorthin gelangt ist. Außerdem besteht die Möglichkeit der Vermischung verschiedener DNA miteinander.

Somit sind DNA-Analysen als vermeintliche Ergebnisse immer nur eine Wahrscheinlichkeitsangabe. Dass das im Umkehrschluss auch heißt, dass es eine hohe Irrtumswahrscheinlichkeit gibt, vor allem auch ausgelöst durch Verunreinung, intransparente und fehlerhafte Spurensicherung usw. wird von Behörden gerne hingenommen.

Hinzu kommt, dass DNA heute für fast alles abgenommen wird. Die Analyse und Speicherung von DNA-Profilen gehört auch bei der politischen Strafverfolgung immer häufiger zum Standardrepertoire polizeilicher Ermittlungen. Alles nur, damit die Sicherheitsbehörden unsere Identität auf Vorrat speichern können und zwar in Massen. Die Datensammelwut der Polizei ist übermäßig. Außerdem können die Spuren, die an einem Tatort von den Cops eingesammelt werden, noch  lange Zeit später ausgewertet werden, z.B. älteres Material aus der Asservatenkammer. Klar, es gibt ihnen ja auch weiterhin die Möglichkeit ihre Verfahren nach Lust und Laune zu eröffnen, Macht auszuüben und ein Klima der Angst zu schüren. Der Überwachungsstaat baut sich Stück für Stück weiter aus. Was vor ein paar Jahren noch unvorstellbar schien, ist jetzt mit total überwachten Innenstädten, Gesichtserkennung und weiteren Methoden Wirklichkeit geworden. Auch der Austausch über die Staatsgrenzen hinaus wird immer mehr und schneller.

Kommen wir wieder zurück zu meinem Fall. Der DNA-Treffer, der erzielt wurde, ist vermutlich damit vergleichbar, irgendwo auf die Straße gespuckt oder irgendwo eine Körperzelle verloren zu haben. Blöd nur, dass wir pro Minute etwa 30.000 – 40.000 Hautzellen verlieren. Wenn solche sogenannten Beweise für eine Verurteilung reichen, sollten wir uns zweimal überlegen wo wir uns bewegen, wo wir hinspucken, unseren Kaugummi fallen lassen, usw. Das ist doch komplett absurd!

Als wären das noch nicht genug Gründe zur Besorgnis, arbeiten die aktuellen politischen Führungskräfte vehement daran, der Polizei und Justiz noch mehr Befugnisse für ihre DNA-Arbeit zu zuspielen. So wurde  sich im Dezember letzten Jahres auf der Innenminister*innenkonferenz für eine „Erweiterung der gesetzlichen Grundlagen um die BGA“ ausgesprochen. Das BGA, kurz für „Biogeographische Herkunftsanalyse“,  ist eine genetische Analyse von Spurenmaterial, was Aussage über die Herkunft der Vorfahren einer unbekannten Person ermöglichen soll. Die Folgen sind drastisch für rassistisch diskriminierte Minderheiten. Das absurde daran ist, dass es wissenschaftlich gar nicht möglich ist, eine genaue Herkunft aufgrund von DNA festzustellen. Das Einizige was herausgefunden werden kann, ist eine kontinentale Zuordnung von Vorfahren. Dass das viel zu unsicher ist und trotzdem aktiv Racial Profiling begünstigt, ist den verantwortlichen Politiker*innen, Justiz und Polizei herzlich egal.

Es reiht sich ein in die aktuellen Zustände, in denen Faschismus, rassistische Hetze, staatliche Repression und ständiger Datenmissbrauch von Behörden allgegenwärtig sind. Eine Ausweitung von polizeilichen Befugnissen ist das Letzte was jetzt sinnvoll ist.

Ich habe mich in meinen Ausführungen viel auf das staatliche System und dessen Logik bezogen und bin dessen zu teilen gefolgt. Mir ist hier wichtig zu betonen, dass ich diese Logik grundsätzlich und mindestens in Frage stelle.

Danke, dass ihr hier seid, den Prozess begleitet und eine kritische Öffentlichkeit schafft. Solidarität ist unsere Waffe!

Es folgt Applaus von den Zuschauer*innen.

Urteil

Nach kurzer Bedenkzeit verwirft der Richter die Berufung der Staatsanwaltschaft. Der Richter ist sich mit der Verteidigerin einig, dass die DNA der Angeklagten nicht ordnungsgemäß verwendet wurde. Außerdem begründet er die Ablehnung der Berufung damit, dass der DNA-Treffer an der Nachweisgrenze ist. Es bleibt also beim Freispruch der Angeklagten.

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