Vermummung

Bei Versammlungen, Aufzügen oder sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel (wie Fußballspielen) oder auf dem Weg dorthin ist es nach dem § 17a Abs. 2 sächsisches Versammlungsgesetz untersagt, mit Hilfsmitteln das Gesicht zu verdecken oder Gegenstände mitzuführen, die dazu dienen, damit die Feststellung der Identität zu verhindern. Verstöße gegen das sogenannte Vermummungsverbot nutzen Cops regelmäßig, um Demonstrierende gezielt (gewaltsam) herauszuziehen oder Menschen auf der Anreise „aus dem Verkehr“ zu ziehen, weil sie Vermummungsutensilien dabei hätten. Zur Durchsetzung des Vermummungsverbots lösen die Cops auch Demonstrationen rechtswidrig auf, wenn sich nur einzelne Personen vermummen. Sie nutzen dies als ein Mittel, um willkürlich die Versammlungsfreiheit einzuschränken und Versammlungen zu eskalieren. Cops und Staatsanwält:innen selber dürfen sich übrigens vermummen – und machen davon auch rege Gebrauch. Beispielsweise wurde am 03. Juni 2023 in Leipzig vermummt über Maßnahmen gegenüber festgesetzten Demonstrierenden entschieden, nachdem die Demonstration auch wegen vermummter Teilnehmenden aufgelöst wurde.

Was genau als Vermummung gedeutet wird, legen die Cops vor Ort unterschiedlich aus. Bei Sonnenbrille plus Halstuch, Schal oder Mund-Nasen-Schutz plus Mütze oder Kapuze ist die Gefahr – je nach Witterungsbedingungen – sehr hoch, dass dies polizeiliches Einschreiten auslöst. Bei Perücken, falschen Bärten, bunt bemalten Gesichtern, Latexmasken oder vors Gesicht gehaltenen Transpis usw. können die Cops ebenso nach eigenem Ermessen einschreiten.

Doch als Schutz gegen Videoaufnahmen und gewalttätige Übergriffe von Nazis oder Cops bzw. Diskriminierung durch die Arbeitsstelle ist die Unkenntlichmachung der eigenen Person oft sinnvoll. Bildmaterial von Versammlungen kann schnell und leicht mit hoher Auflösung weiter verbreitet werden. Daher ist der Wunsch nach Anonymität wichtig und richtig.

Dennoch ist die Rechtsprechung dazu nicht einheitlich.

2018 heißt es im Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestages: „Daher verstößt nicht gegen das Verbot, wer sich vermummt, um von Dritten nicht erkannt zu werden. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn sich ein Teilnehmer vor gewaltbereiten politischen Gegnern schützen will, insbesondere wenn diese Versammlungsteilnehmer fotografieren.“ Auf Basis dessen wurde 2019 vor dem Amtsgericht Germersheim ein Demonstrant vom Vorwurf der Vermummung freigesprochen und schon 2009 merkte das LG Hannover an, der Gesetzgeber könne sich durch das Vermummungsverbot unwillentlich zum Gehilfen politischer Gruppierungen machen. Im Gegensatz dazu hat das OLG Dresden 2013 und auch das OLG Karlsruhe 2022 entschieden, dass das Vermummungsverbot wegen der abstrakten Gefahr, die von vermummten Demonstranten ausgehe, uneingeschränkt gelte. Die Vermummung sei auch dann strafbar, wenn gar nicht beabsichtige werde, sich der polizeilichen Identifikation zu entziehen.

Nach dem sächsischen Versammlungsgesetz ist Vermummung eine Straftat und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden. Das Mitführen von Vermummungsutensilien wird als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 500 Euro bedroht. In Leipzig wird Vermummung jeglicher Art  in der Regel verfolgt. So werden auch Menschen mit Ordnungswidrigkeitsverfahren überzogen, wenn sie im Herbst mit einem Schlauchschal zur Demo wollen.

Wenn ihr wegen des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot Stress bekommen solltet, kommt in unsere Sprechstunde, ggf. legt fristwahrenden formlosen Einspruch ein. [link]

Die aktuelle Corona-Schutz-VO enthält keine verpflichtenden Bestimmungen für Versammlungen unter freiem Himmel, empfiehlt jedoch dringend die Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln, somit auch und vor allem das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.


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